Werkstattbuch (09): Gute Vorsätze für Fotografen

Zuerst auch noch mal von mir: ein gutes Neues Jahr! Und auch wenn wir mit Erscheinen dieses Beitrags schon den 13. Januar haben, möchte ich gerne ein paar Gedanken dazu formulieren, wie ich das immer noch junge Jahr wirklich „gut“ werden lassen möchte.

Im Jahreswechsel haben „gute Vorsätze“ Hochkonjunktur. In der Ekstase einer Silvesternacht, befeuert von Sekt und Champagner, kommen einem schon mal die ganz großen Wünsche in den Sinn. Man nimmt sich richtig was vor, will den Schwung des Neubeginns mitnehmen und endlich richtig fett durchstarten.

Was könnte man sich als Fotograf alles vornehmen? Zum Beispiel:

  • Viel mehr fotografieren
  • Ein besserer Fotograf werden
  • Viel mehr fotografieren
  • Freie Projekte stringent umsetzen
  • Eine Ausstellung oder eine Buchpublikation realisieren
  • In der Kundenakquise durchstarten

Also: Endlich die Dinge tun, von denen man weiß, dass sie gut für einen wären. Endlich mal dran bleiben. Endlich mit Feuer loslegen! Jawoll! Und jetzt mache ich das auch wirklich!

Aus eigener Erfahrung und aus dem, was man aus seinem Umfeld so mitbekommt, weiß man aber auch, wie schnell die berühmten „guten Vorsätze“ wieder in sich zusammenfallen. Man verfolgt das Ziel vielleicht  eine Weile, versucht es mit einer großen Kraftanstrengung, aber nur allzuschnell ist man wieder im alten Trott gefangen, lebt das alte Leben weiter und hat irgendwann sogar gänzlich vergessen, dass man es doch eigentlich ganz anders machen wollte.

Der Grund dafür liegt in uns selbst: Unser System ist in einem bestimmten Zustand – und auch, wenn dieser Zustand vielleicht als nicht positiv genug empfunden wird, sind die Konditionen bekannt, man bleibt innerhalb des Gewohnten und muss die eigene Komfortzone nicht verlassen: Das System ist im Gleichgewicht. Kommt etwas Neues in Form von großen Zielen ins Spiel, pfeift uns unser Unterbewusstsein daher gerne zurück und versucht den alten Gleichgewichtszustand wieder herzustellen.

Wie kann man dem etwas entgegensetzen, ohne sich zu einer gewaltigen Kraftanstrengung aufraffen zu müssen?

Dieser Tage las ich einen klugen Satz, den ich mir – mein neuer Vorsatz für 2022! – zu eigen machen möchte: „Kümmere dich mehr um Deine Gewohnheiten als um Deine Ziele“ (Newsletter vom 5.1.22 von MyMonk). Ich glaube, das ist wirklich der Schlüssel. Statt sich mit übersteigerten Zielen für die Zukunft zu überfordern („Nächsten Monat nehme ich 10 Kilo ab“) ersinnt man eher eine kleine, aber dafür machbare Gewohnheitsänderung in der Gegenwart. Zum Beispiel könnte man damit anfangen, ein Brötchen weniger zu frühstücken und dafür ein Apfel zu essen. So in der Art.

Was heißt das nun für uns Fotografen? Weiter oben habe ich ein paar große Vorsätze aus einem Fotografenleben skizziert. Wie könnten neue, kleine Gewohnheiten aussehen, die uns dem näher bringen? Versuchen wir es mal:

– Ein besserer Fotograf werden

Das ist ein gigantisches und auch noch abstraktes Ziel. So formuliert, wird es höchstwahrscheinlich scheitern oder sehr schnell ad acta gelegt werden. Aber man könnte sich eine neue Gewohnheit dazu überlegen. Zum Beispiel: nach jedem Job oder nach jedem Projektshooting suche ich das beste Bild davon raus, drucke es in A3 aus und nehme mir eine Stunde Zeit, um darüber nachzudenken, was ich beim nächsten Mal in einer vergleichbaren Situation besser machen würde. Wie würde das Bild aussehen, wenn ich es jetzt noch einmal aufnehmen könnte? Was würde ich am Bildaufbau oder am Licht ändern? Würde ich anders mit den Menschen kommunizieren? Kann das Thema nicht noch viel besser umgesetzt werden? Und wenn ja – wie?

– Viel mehr fotografieren

Ja, jeder von uns kennt den inneren Schweinehund. „Jetzt wirklich nochmal rausgehen und die Kamera mitnehmen? Ach nee. Aber morgen dann ganz bestimmt!“ Auch hier könnte eine neue Gewohnheit helfen, zum Beispiel: Ich führe ab jetzt ein Fototagebuch (digital oder physisch). Und jede Woche muss es mindestens drei Einträge darin geben: Was ich erlebt habe, was ich vielleicht projekt- oder jobbezogen fotografiert habe. So ein Buch macht Spaß, ist Erinnerungsarbeit, man genießt es, darin zu blättern und möchte wissen, wie es weitergeht. Man möchte auch nicht, dass da 0815-Knipsbildchen drin sind. Also fotografiert man mehr.

– Freie Projekte stringent durchziehen

Ein richtiges thematisches Fotoprojekt ist eine große Aufgabe – aber gleichzeitig auch der Königsweg, sich als Fotograf zu entwickeln und etwas Bemerkenswertes auf die Beine zu stellen. Auch hier geht es über das tägliche Tun, zum Beispiel regelmäßig eine halbe Stunde einzuplanen, um das Projekt gedanklich weiter zu entwickeln. Aufschreiben, was einem in den Sinn kommt. Recherchieren. Und mindestens jede Woche einmal sich den Projektordner vornehmen, schauen, was da ist, schon fotografiertes Material anschauen, neue Ideen entwickeln, Verabredungen zu treffen und natürlich auch zu fotografieren. Für all diese Dinge kann man sich gerne auch ein Fleißkärtchen basteln oder Todo-Listen abhaken oder irgendetwas anderes, bei dem es einem ein befriedigendes Gefühl gibt, ein Kreuz zu machen oder einen grünen Haken zu setzen. Kontinuierlich in irgendeiner Form dranbleiben, ist auch hier der Schlüssel. 

Zur Projektplanung oder als ToDo-Werkzeug nutze ich gerne Kanban-Boards. Alles, was erledigt ist, wird in die rechte Spalte verschoben und bekommt ein grünes Label. Es macht Spaß zu sehen, wie diese Liste im Laufe der Woche immer länger wird.

– Eine Ausstellung oder eine Buchpublikation realisieren

Uff! Jetzt wird es richtig fett! Sinngemäß gilt hier das gleiche wie bei freien Projekten. Man könnte es sich zur Gewohnheit machen, jede Woche ein Bild für das Projekt zu fotografieren. Egal, ob gut oder schlecht: ein Bild zum Thema machen. Und wenn man das gemacht hat, sich mit einem frohen „Erledigt“ zu belohnen. Kleine Schritte, aber  dafür häufig gemachte. Mental dran bleiben an diesen kleinen Schritten. Dann fällt es einem auch nicht mehr so leicht, seine eigenen Träume zu vergessen. Man beschäftigt sich kontinuierlich mit einem Plan, mit einer Idee. Man stellt sich selbst Fragen dazu. Wenn wir uns immer wieder fragen (wie es weitergeht, wie das Konzept aussieht, wo die Motive gefunden werden könnten usw), wollen wir auch Antworten dazu finden. Und dann kommen auch die Umsetzungen.

– Endlich in der Kundenakquise durchstarten!

Auch so eine schwerverdauliche Kost! „Ab morgen bin ich Vertriebssuperprofi, der Spaß daran hat, permanent Kaltakquise zu betreiben und die Welt mit meiner Dienstleistung zu beglücken!““

Auch das wird nicht funktionieren. Wenn wir Vertriebsjunkies wären, hätten wir das ja das alles schon längst gemacht. Sind wir aber nicht, wir sind nur leidenschaftliche Fotografen, die von ihrer Kunst gut leben wollen.

Was also könnte eine „Gewohnheit in kleinen Schritten“ sein? Zum Beispiel: Ich rufe 3x in der Woche einen bestehenden Kunden an und frage, wie es ihm und seinem Unternehmen geht, plaudere ein wenig, erzähle etwas von mir und halte so den Kontakt. Und wenn ich alle Kandidaten dieser Kategorie durch habe, rufe ich 3x in der Woche einen Kontakt (aber Noch-Nicht-Kunden) an. Und mache genau das gleiche. Ein Beispiel. So etwas ist machbar, das überfordert nicht, es macht Freude, wenn man das Kontingent geschafft hat – ja, und es führt natürlich auch zu Ergebnissen. Vielleicht werde ich meinen Umsatz in 2022 damit noch nicht verdoppeln – aber plus 20 oder 30 Prozent sind allemal drin.

Ihr habe es schon erraten: die fingierten Ziele weiter oben sind gar nicht fingiert. Es sind einige meiner eigenen. Aber statt mir große, überfordernde Ziele zu setzen, proklamiere ich für mich in diesem Jahr die „Politik der kleinen Schritte und neuer guter Gewohnheiten“. Jeden Tag ein bißchen. Jeden Tag ein kleiner Fortschritt und eine kleine Belohnung. Jeden Tag etwas an der Website schrauben. Jeden Tag ein Bild drucken. Und ein Brötchen weniger essen.

Das macht etwas – mit mir selbst, aber auch mit der Welt da draußen. Es führt ganz zwangsläufig zu Erfolgen, die man sonst nicht hätte, auch wenn es vielleicht erstmal nur kleine sind. Und es verändert die eigene Haltung, man betreibt das Ganze spielerischer und vergnüglicher. Statt an großen Vorsätzen zu scheitern, setzt man einen Fuß vor den anderen, kontinuierlich, jeden Tag, jede Woche, das ganze Jahr über. Und das Beste dabei: die neuen Taten werden zu Gewohnheiten. Gewohnheiten strengen nicht an, die macht man einfach und es fehlt einem etwas, wenn man mal einen Tag damit aussetzen musste. Ergebnisse sind unvermeidbar – und in der nächsten Silvesternacht kann man sich zu dem einen oder anderen Erreichten ehrlich beglückwünschen. 

In diesem Sinne, wünsche ich uns allen viele neue gute Gewohnheiten und damit ein erfolgreiches Jahr 2022!


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