Erfahrungsbericht Leica Q1 und Leica Q2

Foto Görlitz hat mir dankenswerterweise die Leica Q2 für etwa zwei Wochen zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür und für die Erfahrungen, die ich auf diese Weise mit der Kamera machen konnte und die ich hier gerne teile.

Vorab einige Bemerkungen, aus welcher Warte und mit welchem Interesse ich an die Q2 herangegangen bin: Ich bin Berufsfotograf und arbeite sehr fokussiert im Bereich der Corporate- und Industriefotografie. Ich bin in Werkstätten, Fabriken, Laboren und Forschungseinrichtungen zu Hause und fotografiere dort mit einem umfangreichen System aus dem Hause Fujifilm.

So zufrieden ich damit bin, so hat das X-System neben vielen Vorteilen auch einige Nachteile. So ist es mir mit APS-C nicht so gut möglich, im Weitwinkelbereich Bilder mit kräftig ausgeprägter Unschärfe im Hinter- bzw. Vordergrund zu machen: Systembedingt sorgt der kleinere Sensor hier für mehr Tiefenschärfe, was ich bei manchen Motiven aber gerne anders hätte.

Und hier kam dann der Kleinbild-Gedanke ins Spiel, und ich überlegte eine Zeitlang, ob ich mir speziell für solche Motive nicht einfach eine KB-Kamera mit einer entsprechenden Weitwinkel-Festbrennweite kaufen sollte. Ich schaute mich ein wenig bei den Spiegellosen von Sony, Canon und Nikon um – aber irgendwie war der Antrieb nicht groß genug, um nur für diesen einen Zweck, wieder in ein anderes System zu investieren. Und ich habe und hatte einfach keine Lust mehr auf die User-Interfaces und Designs dieser Hersteller. Zu sehr mag ich das klassische Kamerakonzept mit Blendenring und Drehrädern, als dass ich davon jetzt wieder abrücken wollte. Und so kam ganz zwangsläufig irgendwann die Q gedanklich ins Spiel: sie bot mit ihrem lichtstarken Weitwinkel-Objektiv und dem Sensor im „Leica-Format“ die gewünschte Wirkung beim Spiel mit der Unschärfe – und war aufgrund ihrer kompakten Bauweise, dem Zentralverschluss, dem sehr schönen Anfassgefühl und der klassischen Bedienungsphilosophie darüber hinaus prädestiniert, einen Weg in meinen Kamerakoffer zu finden und außerdem auch noch eine andere Rolle zu spielen, nämlich in meiner privaten und „frei“ produzierten Fotografie.

Zu Leica habe ich seit jeher ein gespaltenes Verhältnis: einerseits schätze ich sehr die Leica-Geschichte und vor allem die Leistung der großem Reportage-Fotografen des 20. Jahrhunderts, die ab den Zwanziger Jahren sehr oft mit den handlichen und unauffälligen Kameras aus Wetzlar gearbeitet haben und uns an ihren Abenteuern über ihre Fotos teilhaben ließen. Andererseits hatte die Marke spätestens seit den 60er Jahren massiv an Innovationskraft verloren, hinkte bei praktisch allen wichtigen Paradigmenwechseln in der Fototechnik (Spiegelreflextechnik, Autofokus und digitaler Wandel) deutlich hinter den Mitbewerbern her und bot mir mit ihren zum Teil reichlich abstrus wirkenden Designer-Sondereditionen wenig Hoffnung auf eine Rückkehr in ernsthafte professionelle Gefilde. Auch die Einführung des SL-Systems fand ich wenig überzeugend: Die auf dem Markt kommenden Kamera-Objektiv-Kombinationen erscheinen mir monströs in Abmessungen (und Preis) und haben für mich nichts mit dem eigentlichen Markenkern von Leica zu tun: klein, leicht, flexibel, dynamisch und unauffällig fotografieren zu können. Genau das versprachen (und erfüllten) aber die Leicas der 20er und späterer Jahre und ermöglichte ein völlig anderes Fotografieren. Eine Leica SL mit angesetztem Leica 24-90/2.8-4.0 geht dagegen keineswegs in diese Richtung und sieht eher aus wie eine Waffe, nicht wie das Werkzeug eines diskret arbeitenden Fotografen und Weltentdeckers. 

Die „wahre Leica“

Aber bei der Q ist das alles kein Thema, und sie macht in diesen Punkten praktisch alles richtig. Sie ist vergleichsweise modern, verfügt über einen flotten Autofokus, ist kompakt in den Abmessungen, zeigt gleichzeitig die klare Formensprache des Leica-Designs und hat diesen absolut verführerisch-leisen Zentralverschluss, der dem ganzen noch das Sahnehäubchen aufsetzt. Für mich ist die Q daher derzeit die „einzig-wahre“ Leica, die alle wesentlichen nativen Eigenschaften einer Leica in sich vereint und keine gravierenden Nachteile oder seltsamen Spleenigkeiten aufweist.

Soweit so gut. Als die Q2 bei mir eintraf, hatte ich gleichzeitig auch die Gelegenheit, mit einer Q (Typ 116) zu fotografieren, so dass ich die Q2 nicht nur „absolut“, sondern auch in Relation zu ihrer Vorgängerin betrachten konnte.

Und noch eine Bemerkung: ich habe die Q2 ausschließlich als Fotograf genutzt. Zu den Videofähigkeiten kann ich nichts beitragen und überlasse dieses Thema berufeneren Menschen.

Das Fotografiergefühl

Die Leica Q2 ist für mich eine Kamera, die ich vordringlich als „Immerdabei“-Kamera nutze. Sie gehört für mich in die gleiche Klasse und Liga wie die Fujifilm X100F, die diese Art von Kameratyp in der digitalen Zeit eigentlich erst begründet hat: Kompakt, fest verbautes Objektiv, top Qualität. Zugegeben, die Q2 ist etwas größer, aber man kann sie auch in eine Jackentasche oder in die Mittelkonsole meines Fahrzeugs stopfen – und eben „immer“ mitnehmen. Dass die Q(2) auch in meiner kommerziellen Fotografie eine Rolle spielen soll, ist ein anderer Aspekt. Ich werde noch darauf zurückkommen.

In 90 Prozent der Fälle ist sie für mich aber eine Kamera, die mich in meinem Leben begleiten kann. Ich nehme sie bei Locationsbesichtigungen ebenso mit, wie auf Spaziergängen, Ausflügen oder Besuchen von Veranstaltungen. Ich fotografiere damit mein persönliches Tagebuch, mache visuelle Notizen oder fotografiere Motive, die Bestandteil meiner freien Arbeiten werden könnten. Sogar beim Joggen hatte ich sie schon dabei.

Und so wie ich dann fotografiere, kümmere ich mich auch nicht viel um die technischen Details. Die Kamera wird auf ISO-Automatik eingerichtet, ich vergebe die entsprechenden Parameter (ISO bis 6400, 1/125 Sekunde Belichtungszeit) und agiere ansonsten mit dem Blendenring und ggf. der Belichtungskorrektur, um die gestalterischen Aspekte zu bestimmen. Um ehrlich zu sein: viel mehr weiß ich auch nicht über das Innenleben dieser Kamera und die etwaigen Feinheiten, die das Menü zu bieten haben mag. Fotos werden immer noch mit Blende, Zeit und ISO gemacht – und mit dem Licht, das die Situation zu bieten hat. Das einzige, was ich hier vermisse, ist die Möglichkeit, die bevorzugte Zeit auf 1/160 einstellen zu können: etwas sicherer vor etwaigen Verwacklungen, aber nicht so schnell und ISO-fressend wie 1/250.

Ansonsten: Die Kamera ist wie beschrieben in zwei Minuten konfiguriert, und man kann nun einfach loslegen: die gewünschte Blende vorwählen, ggf. eine Belichtungskorrektur vornehmen und auslösen. Fertig. Das Bild ist gemacht, und es ist entweder gut oder nicht, aber das liegt nicht an der Kamera, sondern am Fotografen. Und ja: dieses wundervoll diskrete Klicken beim Auslösen, das ist einfach ein Genuss. Es geht nichts über einen Zentralverschluss – oder vielleicht doch irgendwann einmal. Aber der Global Shutter wird wohl noch ein paar Jahre auf sich warten lassen.

Dass das Objektiv qualitativ keine Wünsche offen lässt, möchte ich noch erwähnen, habe es aber auch so erwartet: simply sharp – und mit einem sehr schönen Unschärfeverlauf gesegnet. Nun, dafür ist Leica berühmt und das durchaus zu Recht. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Die top Schärfe und das excellente Auflösungsvermögen gilt gleichermaßen für Q1 und Q2: ob 24 oder 47 Megapixel: das ist alles vom Feinsten und lässt keine Wünsche offen. Dass eine Q2-DNG-Datei allerdings mehr als 80 Megapixel wiegt, ist schon wieder nicht mehr so lustig und irgendwie erschreckend. Und warum Leica nicht ab Kamera ein komprimiertes DNG erzeugen kann, erschließt sich mir auch nicht. Alle mir bekannten Hersteller verpassen den hauseigenen RAW-Dateien eine interne und verlustfreie Komprimierung, das könnte man hier doch ruhig auch anbieten (gilt auch für die Q1, nur da in einer anderen Dimension).

Offen gestanden lässt mich das höhere Auflösungsvermögen der Q2 ziemlich kalt: Dass man in der 100-Prozent-Ansicht megafeine Details noch sehen kann, dass man Nummernschilder von Autos noch lesen kann, obwohl sie weit im Hintergrund des Bildes stehen – das ist alles eigentlich ziemlich bedeutungslos. Es hat mit der Aussage eines Bildes, mit der Atmosphäre einer Aufnahme, mit der Bedeutung einer visuellen Erzählung fast nichts zu tun. Klar, wer permanent 2-Meter-Fotos für Ausstellungen produziert, profitiert von dieser enormen Auflösung, aber ich bin mit den 24 Megapixeln des Vorgängers (und anderer Kameras) trotzdem mehr als zufrieden.

Nach einer Weile der ersten Erkundungen und des Abklopfens der technischen Parameter landet man also wieder da, wo man immer steht, wenn man Bilder macht oder machen will: man sucht nach Locations, nach Motivation, man überwindet den inneren Schweinehund (doch noch mal rauszugehen oder irgendwohin zu fahren), man sucht nach Ideen, hofft auf passende Lichtstimmungen und Zusagen von Menschen, die man fotografieren möchte. Und wenn man irgendetwas gefunden hat, was in die Interessenslage passt, dann langt man in die Jackentasche, holt die Q2 heraus, wählt die passende Blende und drückt ab. Ein leises, kaum zu hörendes Klick, das Bild ist im Kasten. Und es ist entweder gut oder schlecht. Aber das liegt am Moment, an der Inspiration und am Fotografen… – aber das hatten wir ja schon…

Ja, die Q und die Q2 ist handlich und smart genug, um diese Anforderungen an eine Immerdabei zu erfüllen. Es gibt kleinere und leichtere Kameras, und die Q spielt am eher oberen Rand dieser Klasse. Aber es geht gut, und man nimmt sie gerne mit, auch wenn man die Wahl hat. Die Q ist ein sehr schönes Werkzeug.

Auch im Kommerziellen hat sie sich bewährt. Bei der Umsetzung einer Szene in der Lebensmittelproduktion wollte ich ein weitwinkliges Foto machen, den Hintergrund aber in weicher Unschärfe versinken lassen. Die Arbeitsszene war mit gemäßigter Action verbunden, der Protagonist bewegte sich, hantierte an Maschinen und wuchtete schwere Säcke auf Euro-Paletten. Auch das kann die Q: der AF ist schnell genug, um die bewegten Momente sicher einzufangen, und ansonsten kommt das 1.7er Leica-Objektiv in Verbindung mit dem Kleinbild-Sensor voll zum Tragen: weich und schön trennt sich die Schärfeebene vom Hintergrund. Das ist schon ein Genuss.

Und wenn ich die Q2 mit der Q1 vergleiche – was ist für mich der wesentliche Unterschied? Es ist der Sucher. Leider neigt die Q1 zu einer etwas fahlen, recht kalt abgestimmten Farbigkeit. Die Q2 bietet hier ein viel realitätsnäheres und wärmeres Bild. Das macht schon einen Unterschied.

Aber unterm Strich sind Q1 und Q2 für mich die gleichen Kameras: sie haben die gleichen wesentlichen Eigenschaften, sie fühlen sich exakt gleich an, der Blick durch den Sucher ist von etwas unterschiedlicher Qualität, und die eine hat 47 Megapixel und die andere halt nur 24.

Großartige fotografische Werkzeuge sind beide.

1 Kommentar
  1. Hartmut Burg
    Hartmut Burg sagte:

    Vielen Dank für Deine informative Vorstellung der Leica Q-Modelle. Sicher sehr großartige Kameras.
    Du bemängelst ja, dass Du mit der Fuji im Weitwinkelbereich nicht gut freistellen kannst. Ich frage mich allerdings, ob der Unterschied im Bildlook zwischen dem Fuji 16mm 1,4 im APSC und dem Leica 24mm 1.7 im Vollformat wirklich sehr groß ist.

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