Fujifilm X-T2: Das zweite Flaggschiff

 

Wer meinem Blog ein bißchen gefolgt ist, weiß, wieviel Freude und erfüllte Praxis ich mit der Fujifilm X-Pro2 in den letzten Wochen und Monaten gehabt habe: Hier kam ein Hersteller mit einer herz-ergreifenden Kamera, die gleichzeitig aber auch über die Skills und Fähigkeiten verfügt, die ich für einen professionellen Einsatz in der Industrie- und Technologie-Fotografie erwarte. In erster Linie: Performance, AF, Sicherheit und Bildqualität. Und dass all das mit einer so „kleinen“, smarten, relativ leichten und so entzückend „klassischen“ Sucherkamera möglich war/ist, erhöht den Reiz des Anwendens nochmal zusätzlich. Ein Treffer also – mitten ins Herz.

Und dann kam vor ein paar Monaten die Anfrage von Fujifilm: ob ich Zeit und Interesse hätte, eine neue Kamera zu testen. Alles noch streng geheim und vertraulich und ohne Details.

Ich bin ein neugieriger Fotograf. Und wenn ein Hersteller, der gerade ein so cooles Produkt wie die X-Pro2 vorgelegt hat, etwas Neues auf der Pfanne hat, denke ich nicht lange nach. Ich signierte eine engagierte Verschwiegenheitserklärung und bekam wenige Tage später die neue Kamera.

Der Erlkönig entpuppte sich als „upcoming“ Fujifilm X-T2. Die Kamera, die dieser Tage offiziell angekündigt wurde. Mit Hochformat/Batterie-Griff. Und dem riesigen Sucher.

Ich muss zugeben: im ersten Moment war ich ein wenig ernüchtert – wenn auch nicht gänzlich überrascht. Trotzdem: Ich war gerade in eine heftige Liebesaffäre mit der X-Pro2 und ihrem Sucherkamera-Design verwickelt – und da kommt etwas ganz anderes daher: eine Kamera aus der „anderen“ Produktlinie. Eine Kamera, die die Spiegelreflexkameras der 70er Jahre zitiert. Und ich hatte mein Herz gerade an eine Kamera verloren, die die Sucherkameras der 60er Jahre zitiert und mit neuem Geist und aktueller Technik beseelt.

Warum mich das klassische Reportagenkamera-Design der X-Pro2 so begeistert, habe ich in verschiedenen Blogbeiträgen ausführlich dokumentiert. Zum Beispiel hier.

Aber auch das Design der X-T2 berührt etwas in mir: Sie erinnert mich an meine erste Spiegelreflex, mit der ich sehr lange fotografiert habe. Die selige Minolta XD-7 war ein wunderbares Stück Technik.

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Erfahrungswerte

Doch wie auch immer, und Nostalgie jetzt mal endgültig beiseite gelegt: was ist die X-T2 für eine Kamera? Und wie schlägt sie sich in der Praxis?

Wirklich beurteilen kann ich das erst seit einigen Wochen. Erst mit dem letzten Firmware-Update hat die Kamera den Funktionsumfang und die Leistung erhalten, die einen belastbaren Einsatz in der Praxis erlaubte und eine realisitische Beurteilung des Fotografier-Gefühls mit dieser Kamera zulässt.

Bitte beachten: Meine nachfolgenden Beschreibungen beziehen sich immer noch auf ein Vorserienmodell – es ist also durchaus möglich und sogar wahrscheinlich, dass sich die Hard- und Software des Serienmodells noch geringfügig unterscheiden wird.

Zunächst einmal: die zentrale Hardware der X-T2 ist identisch mit der der X-Pro2: der gleiche Aufnahme-Chip, die gleiche Kapazität in der Elektronik. Was sich unterscheidet: Das Bedienkonzept, die Haptik, der Sucher und auch die Fähigkeiten der Firmware.

Also schauen wir uns mal an, was hier nachvollziehbar und offenkundig geboten wird:

Wir bekommen wie bei der X-Pro2 einen Nachfolger. Die X-T2 löst die renommierte und sehr beliebte X-T1 ab. Sie bietet moderne Technik wie den 24 MP-Chip, einen aktualisierten Sucher und etliche Leistungsverbesserungen. Die X-T2 ist damit mindestens auf Augenhöhe mit der X-Pro2 und damit so etwas ähnliches wie ein zweites Flaggschiff – aber eben mit einem anderen Gehäuse, einer anderen Bedienung und einer anderen Philosophie.

Ich habe die X-Pro2 und die X-T2 eine ganze Zeitlang parallel benutzt. Zunächst so, dass die X-Pro2 die führende Rolle hatte und die X-T2 eher als Notiz- und Making-of-Kamera eingesetzt wurde. Als die Leistung der Kamera via Firmware-Updates immer besser wurde, ändert sich das, zuletzt habe ich die X-T2 dann als Hauptkamera eingesetzt und komplette Produktionen mir ihr durchgeführt. In vielen Situationen baumelten aber einfach beide Kameras an meinen Schultern, und ich habe situationsbedingt jeweils zur einen oder zur anderen gegriffen.

Smartness

Was wirklich positiv ist: das geht auch mit dem für mich ungewohnten Gehäuse der X-T2 und mit dem Batteriegriff, ohne dass man sich einen Bruch hebt. Der grundsätzliche Vorteil der Gewichtsersparnis gegenüber aktuellen Top-DSLRs bleibt erhalten. Auch die X-T2 ist eine eigentlich kleine Kamera, die mit angesetztem Batterie- und Hochformatgriff zwar deutlich an Dimension zulegt, aber immer noch vergleichsweise leicht und easy handle-bar bleibt. Das ist gut so und für mich nach wie vor ein wesentlicher Vorteil im Alltag.

Ich weiß, dass das ein höchst subjektiver Ansatz ist, aber es ist MEIN Vergleich und es sind meine Alternativen:

Wenn ich mein DSLR-Topmodell nehme und mit einem Standard-Zoom 24-70/2.8 kombiniere, dann komme ich auf knapp 2,5 Kilo Gewicht. Nehme ich die die X-T2 mit dem 16-55/2.8, dann sind das 1.587 Gramm. Das ist fast ein Kilogramm Unterschied. Und nehme wir das „andere Flaggschiff“ – die X-Pro2 mit Handgriff – dann landen wir sogar bei nur 1.309 Gramm.

Es gehört zu den Prämissen meiner Arbeit, „smart“ zu fotografieren. Das drückt sich nicht nur in Sachen Kameratechnik aus, sondern auch bei meinem anderen Equipment, zum Beispiel beim Licht: Ich komme nicht mit einem mit Blitzanlagen vollgepackten LKW , sondern mir reichen fast immer zwei Taschen und coole kleine Blitze, LED-Panels und Taschenlampen.

Ich stehe auf „smarte“ Technik – und die beiden Flaggschiffe von Fujifilm gehören beide definitiv dazu.

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Praxistauglichkeit

Ich war mit meinen beiden Fujfilms in den letzten Wochen viel unterwegs, wir haben überall in Deutschland fotografiert, u.a. in Abfalltrennungsanlagen, in der Glasaufbereitung, in Kompostieranlagen, bei den Müllwerkern, in Werk- und Produktionsstätten jeglicher Art. Wir waren in der Glasbläserschule in Lauscha und wir haben die Arbeit einer Goldschmiedin in Köln fotografiert. Bei den Spezialfahrzeugwerken Feldbinder in Norddeutschland haben wir die komplette Produktion fotografisch interpretiert und just heute waren wir mit Fujifilm X-Pro2 und der X-T2 in einer Muster- und Forschungsfabrik der Technischen Hochschule in Aachen.

Es war nass, es war kalt, es war heiß, es war staubig: wo immer wir waren, die X-T2 und die X-Pro2, haben ihren Job gemacht.

 

Anregungen

Gibt es etwas zu verbessern? Natürlich gibt es das. Hier einige Anregungen für künftige Modelle:

  • die Knöpfe auf der Oberseite und oben auf der Rückseite sind mir etwas zu bündig und nicht erhaben genug, sie lassen sich erst nach viel Übung blind ertasten
  • Der Batteriegriff könnte einen Hauch schöner gestaltet werden
  • Das Fokushilfslicht (auch wenn man es echt selten braucht!) sollte weiter außen platziert werden, es wird sonst von den großen Objektiven zu sehr abgeschattet
  • Der Joystick könnte nach meinem Geschmack da sein, wo die Q-Taste ist und umgekehrt
  • Die Wifi-Funktion kann vermutlich leicht ausgebaut werden, vor allem das kontinuierliche Streamen von JPG-Dateien auf ein iPad oder Laptop wünsche ich mir sehr

 

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Gleich, aber anders

Wenn ich meine Praxiserfahrungen mit der Fujifilm X-T2 auf einen Satz reduzieren müsste, würde ich sagen:

„Die Fujifilm X-T2 ist genauso großartig wie die X-Pro2, aber anders.“

Sie hat den gleichen Sensor, sie hat mindestens die gleiche AF-Performance (Fujifilm spricht von einer deutlichen Weiterentwicklung), sie ist sehr schnell (lt. Specs sogar deutlich schneller).

Beide Kameras meistern Alltagssituationen, die Anforderungen der Praxis und die Herausforderungen rauher Umgebungen.

Auch wenn der Vergleich der technischen Daten vielleicht klare Vorteile für die X-T2 ausweisen, heißt meine persönliches Resumée: die Kameras spielen in einer Liga. ABER: sie sind für unterschiedliche Einsatzzwecke jeweils besonders geignet:

  • Wenn ich demnächst Fotos aus einem Gulli heraus machen will, greife ich zur X-T2 (Klappdisplay)
  • Wenn ich Menschen, die selten vor der Kamera stehen, portraitieren will, greife ich zur X-Pro2 (der „menschlichere“ Faktor, u.a. dank Sucherkamera-Design)
  • Wenn ich Bewegungsabläufe oder schnelle action fotografieren will, nehme ich die X-T2 (Speed)
  • Wenn ich unauffälliger und weniger „offiziell“ wirken will, nehme ich die X-Pro2 (Größe, Design)
  • Will ich auf einer Veranstaltung den Redner portraitieren, greife ich zur X-T2 (Hochformatgriff)
  • Und wenn ich einfach ein gutes Foto machen will: dann nehme ich die Kamera, die mir als erste in die Finger fällt oder die gerade das passende Objektiv aufgesetzt hat …. 🙂

Ob man sich für die X-Pro2 oder die X-T2 entscheidet, ist für mich primär keine objektive oder technisch klärbare Frage, sondern vor allem eine Gefühlsangelegenheit:

  • Welche Kamera gefällt mir besser?
  • Welche fühlt sich besser an?
  • Was macht dieses Stück Technik mit mir und den Menschen, die ich fotografiere?
  • Welche Saiten bringt das jeweilige Modell in mir zum Klingen?

Sicher, die Liebhaber schneller action und Sport werden mit der X-T2 einen Hauch besser bedient sein – aber alles geht mit beiden. You decide!

 

Mein Fazit:

Fujifilm geht mit der X-T2 konsequent seinen Weg weiter und stellt ein weiteres Kameramodell vor, das sich auch im professionellen Einsatz hervorragend schlagen wird, hochwertig und mit viel Verve umgesetzt ist und erfolgreiches Fotografieren auf praktisch allen fotografischen Feldern ermöglicht.

Die X-T2 bildet zusammen mit der X-Pro2 eine Art Doppelspitze: beide Kameras sind die Flaggschiffe ihrer jeweiligen Kameralinie und performen excellent. Welchen Formfaktor man mehr schätzt, welches Modell man lieber in der Hand hat, das ist eine überwiegend subjektive Entscheidung und abhängig von den Themen und Einsatzgebieten des Fotografen.

Ich entscheide mich ohne Zögern:
Für beide.

 


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christian

5 Kommentare
  1. Daniel Zihlmann Photographer
    Daniel Zihlmann Photographer sagte:

    Danke für den wiederum spannenden Bericht.

    Gibt es weiterhin keine Möglichkeit mit Fuji „tethered“ auf ein iPad zu schiessen bzw. die Bilder live auf ein mobile device zu streamen für den Kunden? Das Lightroom Plugin soll ja kommen für die X-T2, aber das ist ja dann wieder nur für das Laptop. Mich interessiert ein tethered Workflow für das iPad.

    Liebe Grüsse
    Daniel

    Antworten
  2. Christian Ahrens
    Christian Ahrens sagte:

    Hallo Daniel, so ganz genau kann man es noch nicht sagen, denn die Remot App von Fujifilm ist noch nicht up to date und arbeitet noch nicht mit dem Vorserienmodell der XT-2 zusammen – was da evtl. möglich ist, ist also noch theoretisch offen. Wenn so etwas allerdings käme, wäe es m.E. auch ein Eintrag in der Feature-Liste der neuen Kamera wert. Mir geht es genauso, ich behelfe mich momentan mit Wifi-Karten, aber das ist nicht das Gelbe vom Ei (zu langsam).
    Viele Grüße, Christian

    Antworten
  3. Daniel Zihlmann Photographer
    Daniel Zihlmann Photographer sagte:

    Danke fürs Feedback, Christian.

    Tethering mit der T2 aufs Laptop ist schon mal ein grosser Schritt. Schade, dass dies mit der Pro2 nicht möglich ist. Der einzige Grund weshalb ich neben meinen Pro2’s noch immer auch die 5DS im Arsenal behalten hab.

    Und sogar wireless tethering wird kommen mit der T2. Was gar ein Vorteil gegenüber tethering mit DSLR Kameras ist. Kein Kunde mehr, der übers Kabel stolpert und damit entweder die Kamera oder den Computer in die ewigen Jagdgründe befördert 😉

    Liebe Grüsse
    Daniel

    Antworten

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