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Best Practice: Erfolgsfaktor Profilierung

Auch dieser Text wurde ursprünglich geschrieben, um ihn mit den Mitgliedern meines Berufsverbandes Freelens zu teilen. Er entstand aus der Idee heraus, unter Kollegen Erfolgsgeschichten, Best Practices, gute Geschäftsideen usw. zu teilen. Diese Diskussion sollte auf möglichst breiter Basis erfolgen, weswegen ich den Text auch hier kommunizieren möchte:

Die Grundthese meines Beitrages ist: je klarer und stärker Fotografen ein klares Profil entwickeln, desto leichter wird es ihnen fallen, diese „Marke“ erfolgreich im Markt zu positionieren und davon zu profitieren.

Ich möchte das Thema Profilierung am eigenen Beispiel erzählen.

Kurze Vorgeschichte: 2004/2005 hatte ich mich als spätentschlossener Quereinsteiger entschieden: ich werde Berufsfotograf. Dieses Ziel bin ich dann mit aller Energie angegangen, bin einen langen Lernkurvenweg gegangen und habe dabei alles Mögliche gemacht: Sachaufnahmen, Events, Kunstreproduktionen, Businessportraits, Unternehmensreportagen, Fotos in Handwerksbetrieben, Privataufnahmen (Frau vom Geschäftsführer auf Pferd), auch einige Hochzeiten und einmal sogar einen Babybauch (bei dem ich kläglichen Mist fotografiert habe)…. Also das ganze, breite Programm.

Die beste Idee unserer Unternehmensgeschichte hatten wir 2008. Sie bestimmt und entwickelt bis heute unseren Weg und hat eine unglaubliche Dynamik entfaltet. Denn irgendwann hatten wir vom Bauchladen und von Shootings in drittklassigen Büros die Schnauze voll. Also haben wir uns hingesetzt und intensiv überlegt, welche Art von Fotografie uns eigentlich am meisten Spaß macht. Wo wir hinwollten. Was wir als Fotografen erleben wollten. Welche Abenteuer und Herausforderungen uns begegnen sollten. Und natürlich auch: welche Kunden wir haben und welches Geld wir dabei verdienen wollten.

Ein großes Ziel

Das Ergebnis dieser Überlegungen war ein Leitsatz: „Wir fotografieren die Industrie-Abenteuer unserer Zeit“. Also: High-Tech, Forschung, geile Locations, aufregende technologische Kontexte, Technik an den Grenzen des Machbaren. Und im Mittelpunkt der Mensch (forschend, planend, denkend, arbeitend). Hätte ich 30 Jahre vorher angefangen, hätte ich meinen Markt bei potenten redaktionellen Partnern gesucht. 2008 erschien mir das aussichtslos. Also hießen die Zielgruppen: Unternehmen, Institutionen, Verbände, Forschungsinstitute, Stiftungen und so weiter.

Eine tolle Vision. Echt berauschend. Nur unglücklicherweise meilenweit entfernt von unserem aktuellen Status. Wie soll man bei Airbus und Siemens akquirieren, wenn man gerade mal ein halbwegs anständiges Foto von einem Schweißer beim lokalen Metallbauer hat? Anspruch und Wirklichkeit klafften meilenweit auseinander.

Die Abkürzung

Um das von uns formulierte Fotografenprofil möglichst schnell erreichen zu können, haben wir uns eine Abkürzung überlegt. Wenn man als Berufsanfänger die 40 schon überschritten hat, hat man keine 20 Jahre mehr für einen langsamen Aufbau. Wir wollten die Transition in vier oder fünf Jahren schaffen.

Unser Ansatz war ein freies Projekt: Wir fotografierten unter wohlwollender Förderung einer regionalen Institution eine Ausstellung zum Thema „Berufsausbildung“. Die Ausstellung sollte in einem repräsentativen halböffentlichem Raum gezeigt werden, erzeugte eine gewisse Öffentlichkeitswirkung und hatte Fotos zum Inhalt, die genau das zeigten, was wir anstrebten: Menschen in aufregenden technologischen Kontexten.

Und dann geschah das Spannende: Aufgrund der strategischen Konstruktion unseres Projektes, hatten wir keine Mühe, mit unseren Wunschunternehmen Kontakt aufzunehmen und sie zur Mitarbeit zu bewegen. Niemand hat die Tür zugeschlagen. Ford, die Deutz AG, Rheinenergie, RWE u.v.a.: Das waren auf einmal unsere Gesprächspartner. Auf einmal hatten wir Zugang zu Top-Adressen und zu spektakulären Locations.

Das Ergebnis monatelanger Anstrengungen (und zugegebenermaßen auch erheblicher monetärer Aufwendungen) war eine erfolgreiche Ausstellung, gute Presse und vor allem: ein auf einmal sehr ansehnliches Portfolio, tolle Erlebnisse und Kontakte auf einem völlig neuen Level.

Ergebnisse

Aus diesem einen und ersten Projekt ist unglaublich viel entstanden:

– wir waren auf einmal Fotografen mit einem klaren Profil
– wir hatten ein starkes Portfolio
– unsere Fotografie hatte sich im Projekt positiv entwickelt
– über die neuen Kontakte entstanden zahlreiche Folgeprojekte, Auftragsproduktionen und langjährige Beziehungen, die bis heute bestehen
– Das Projekt hat unser Selbstbewusstsein gestärkt und ließ uns den Wert unserer Arbeit höher einschätzen
– Wir konnten in der Folgezeit bessere Jobs akquirieren und höhere Honorare durchsetzen

2009 hat diese erste Ausstellung stattgefunden. In den Jahren seitdem haben wir versucht, diesen Weg so konsequent wie möglich weiter zu gehen. Wir haben viel unternommen, um weiter an der fotografischen Qualität zu arbeiten. Wir haben auch weiterhin Projekte fotografiert, die nicht von vorne herein kommerziell ausgelegt waren – um weiter zu wachsen und neue Erfahrungen zu machen. Und insgesamt hat sich unser Geschäft positiv entwickelt, so dass wir heute sagen können, dass wir unseren ursprünglich formulierten Zielen schon einigermaßen nahe gekommen sind. Mehr und weiter geht natürlich immer – wir arbeiten daran.

Was waren die entscheidende Elemente? Ich glaube, folgende Aspekte waren am wichtigsten:

1. Eine Vision / Zielvorstellung am Anfang, der wir so gut folgten wie möglich
2. Die Entscheidung für eine klare Fokussierung als Fotografen. Wir wollten Experten in einem bestimmten Bereich werden.
3. Das Fotoprojekt als geschäftlicher und fotografischer Katalysator
4. Die strategische Konstruktion des Projektes ermöglichte eine relativ schnelle geschäftliche Entwicklung.

 

Fazit

Soweit erstmal die persönliche Geschichte.Ich glaube aber, dass viel davon übertragbar ist auf ganz verschiedene Bereiche in der Fotografie und auf ganz verschiedene Fotografen.

Noch ein paar Gedanken zur Profilierung. Ich glaube, dass darin ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Fotografen in unserer Zeit liegt. Wenn man nicht als Generalist auftritt, sondern als spitz aufgestellter Experte, hat man unglaubliche Vorteile, zum Beispiel in der Kommunikation, in der Zielgruppenansprache, in der Akquise, in der Argumentation beim Kunden usw. Experten, die zudem starke und punktgenau passende Referenzen vorweisen können, wird eher vertraut. Ein Spezialist kann höhere Honorare aufrufen. Ein Experte bleibt besser im Gedächtnis.

Fotograf mit Profil zu werden geht m.E. fast in allen Disziplinen der Fotografie. Wenn einem das zu eng ist, kann man auch mehrere solcher Profile ausprägen – sollte sie dann aber schön getrennt halten. Beschränkt man sich damit allzusehr? Ich finde, nein. Im Gegenteil, man hat die Chance, auf höherem Niveau zu arbeiten und langweilig wird es da kaum, eher aufregend und herausfordernd.

Soweit erstmal diese Story. Das Feld ist eröffnet. Ich freue mich auf Diskussionsbeiträge dazu und natürlich auf Eure eigenen Geschichten!

Beste Grüße
Christian

„So oder so ist das Leben.
Du musst entscheiden, wie Du leben willst, nur darauf kommt’s an.“
(Hildegard Knef)

 

Zum Weiterlesen sehr empfohlen:


-> Amazon Link. Martina Mettner: Fotopraxis mit Perspektive. 16 erfolgreiche Fotoprojekte und ihre Macher.

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