Normalerweise werden Fotografen als Soloplayer wahrgenommen: Sie fotografieren und handeln allein, stehen mit ihrem Namen für einen bestimmten Stil und eine bestimmte Qualität, sind Kreative, Unternehmer, Selbstdarsteller, Marke. Natürlich gibt es Leute um sie herum, bei größeren Projekten zum Beispiel ein oder mehrere Assistenten, Visagistinnen, Digital Operators und so weiter.

Soweit das klassische Bild. Dass es auch anders geht, zeigt meine eigene Vita: seit nunmehr neun Jahren arbeite ich als Teil des Fotografen-Teams Ahrens+Steinbach. 2008 haben Silvia Steinbach und ich die ersten Schritte als Team gemacht. Am Anfang war es nur ein lockerer Austausch und gelegentliches gemeinsames Experimentieren. Später haben wir angefangen, uns bei Jobs gegenseitig zu assistieren, Equipment zu teilen und zusammen weiter zu lernen. 2009 haben wir unser erstes gemeinsames Projekt fotografiert – ein Ausstellungsprojekt für die IHK Köln („Abenteuer Ausbildung“). 2010 gründeten wir die Ahrens+Steinbach GbR, über die immer mehr gemeinsame Produktionen realisiert und abgerechnet wurden. Heute ist es so, dass 70 bis 80 Prozent unseres jeweiligen Umsatzes gemeinschaftlich erwirtschaftet wird. Unsere Firma versteht sich als produzierendes Fotografenteam, d.h. bei jeder Produktion legen wir zu Beginn oder oft auch spontan während des Tages fest, wer welches Motiv fotografieren will und realisieren das Bild jeweils mit Unterstützung des Kollegens bzw. der Kollegin. Nach dem Fotografieren arbeitet jeder jeweils seine „eigenen“ Motive aus, anschließend werden die Bilder auf der Dropbox zusammengeführt und dem Kunden geschickt. Akquise, Organisatorisches, Fragen der Unternehmensführung usw. – das machen wir jeweils zusammen bzw. jeder von uns kümmert sich um bestimmte Bereiche, in denen man besonders stark ist.

Diese Zusammenarbeit ist gewachsen, belastbar, beglückend und erfüllend – wir sind sehr froh darüber, nicht als „einsame Wölfe“ unseren wunderbaren Beruf ausüben zu können. Sehr zur Nachahmung empfohlen! 🙂

Andere Fotografen spiegeln uns häufig, dass sie diese Form der Zusammenarbeit ganz wunderbar finden und gerne etwas ähnliches hätten. Oft hören wir aber auch die Vermutung, dass es wohl sehr schwer bis fast unmöglich sei, jemanden zu finden, mit dem man so ideal zusammenarbeiten könne. Und in diesen Worten klingt oft ein wenig Resignation mit.

Viele Formen der Zusammenarbeit unter Fotografen sind möglich

Sicherlich ist da etwas Wahres dran: genau wie in der Partner- oder Freundeswahl, findet man nicht alle Tage Menschen, mit denen man zusammenleben oder eine tiefere Beziehung eingehen möchte. Und eine berufliche und wirtschaftliche Partnerschaft ist eine nicht weniger sensible und weitreichende Angelegenheit. Aber eben keineswegs etwas völlig Utopisches oder statistisch Unmögliches. Wie immer gilt: nur was man anzieht und sich sehr wünscht und woran man auch glaubt und aktiv daran arbeitet – nur das kann man auch realisieren. Insofern: wer einen ähnlichen Weg gehen will, dem möchte ich ausdrücklich Mut zusprechen, es zu versuchen und sich für Möglichkeiten eines Miteinanders zu öffen. Und man muss ja nicht immer sofort den Hauptgewinn erzielen: langsamer Aufbau, geduldiges Entwickeln und schauen, wie weit man kommt: das ist meines Erachtens der Erfolgsweg.

Nachfolgend möchte ich einige Formen der Zusammenarbeit vorschlagen, die vergleichsweise leicht zu realisieren sind, einen als Fotografen aber dennoch weiter bringen.

Am Anfang ist das Wort

Ich finde Austausch unter Fotografen extrem wichtig. Sei es, dass man einfach mal plaudert, sei es, dass man sich auch mal Frust von der Seele redet. Oder noch besser: dass man sich gegenseitig anregt und motiviert: mit Geschichten, Beispielen, Erfahrungen, Best Practices. Fotografen zu treffen, ist nicht schwer. Man findet sie im Web, auf Ausstellungseröffnungen, oder Veranstaltungen. Möglichkeiten bieten auch die verschiedenen Fotografenverbände, wie etwa Freelens. Die Freelens Regionalgruppe Rheinland zum Beispiel trifft sich ungefähr alle zwei Monate und bietet vom lockeren Plaudern beim Bier über gemeinsame Ausstellungsvorbereitungen bis hin zu Vortragsabenden ein durchaus reiches Betätigungsfeld. Reden bildet! Vor allem, wenn die Beteiligten die Karten auf den Tisch legen und offen über ihre täglichen Herausforderungen sprechen. Ja, auch über Honorare, Geld und andere wichtige Fragen, bei denen wir weiterkommen wollen!

Fotogruppen – Fotoabende

Ich habe das Glück, Mitglied eines „Fotoabends“ zu sein, den ein Kollege etwa alle sechs Wochen organisiert. Die Zusammensetzung dieser Gruppe ist nie gleich, es gibt eine Art „Stammbesetzung“, aber bei jedem Treffen gibt es auch Gäste, zum Beispiel junge Fotografen von der Hochschule, neulich waren zwei syrische Fotografen da, öfter sind auch Hochschullehrer der Fotografie dabei und so weiter. Ziel des Abends ist neben allgemeinem Austausch auch immer das Zeigen von Bildern oder Strecken, zum Beispiel, wenn jemand ein Buch oder eine Zeitschriftengeschichte vorbereitet und sich Feedback zum Editing wünscht. Ausdrücklich erwünscht ist es auch, nicht-eigene Werke zu zeigen, zum Beispiel, wenn jemand auf ein außergewöhnliches Buch gestoßen ist und es den anderen Fotografen nahebringen möchte. Diese Abende sind inspirierend, herausfordern und machen richtig Spaß. Über dieses netzwerkige Verbinden mit Kollegen und Kreativen ist schon manches möglich geworden, was sonst nicht entstanden wäre.

Gemeinsames Arbeiten

Wie gesagt: man muss nicht immer gleich eine Firma gründen. Aber man kann zusammen neue Techniken erproben, verrückte Bildideen realisieren, sich gegenseitig assistieren, freie Projekte fotografieren oder einfach auch mal mit der Kamera in der Hand in inspirierender Umgebung herumstreichen. Fotografen als Feedbackgeber, als kritisches Publikum – auch das ist eine hilfreiche Angelegenheit. Vor einigen Tagen haben wir einen Kollegen gebeten, uns Feedback zu einer Bildstrecke zu geben, die wir möglichst hochwertig publizieren wollen. Was dabei herauskam? Die Einsicht, dass wir noch nicht fertig sind und zumindest wichtige Teile der Geschichte ergänzen müssen. Und darüber hinaus hat das Feedback uns zu der Einsicht gebracht, dass es generell noch richtig viel zu tun gibt und dass wir noch viel Entwicklungsarbeit in unserer Arbeit und in unsere Bildsprache stecken können und sollten. Wenn man es schafft, seine Eitelkeit im Zaum zu halten und hinhört, wenn Kompetente Kompetentes äußern: dann ist so ein Feedback nicht frustrierend, sondern beglückend und motivierend. Man weiß wieder ein bißchen mehr, wofür man brennt und wofür man morgens aufsteht.

Gemeinsam on location

Gemeinsam produzieren on location

Über Fakultäten hinaus

Mit meiner Kollegin betreibe ich auch die kaufmännischen Aspekte der Fotografie gemeinsam: wir akquirieren zusammen, sind auf Messen präsent, fahren gemeinsam zu Vorgesprächen usw. Das hat natürlich nur dann Sinn, wenn man auch als wirtschaftliche Einheit handelt. Aber das Prinzip lässt sich auch auf Fotografen übertragen, die alleine unterwegs sind. Warum sich nicht mit einem Filmemacher zusammentun und gemeinsam auf Kundenfang gehen? Oder mit einem Graphiker oder einer Werbeagentur, einem Drohnenpiloten? Wenn man zu Zweit über eine Messe geht und potenzielle Kunden anspricht, macht das viel mehr Spaß, man ist motivierter, hält länger durch und erzielt darüber auch einen nachhaltigeren Erfolg. Ein Tipp: man kann sogar gemeinsam Telefonakquise machen, zum Beispiel, um frische Kontakte zu vertiefen. Silvia und ich rufen uns dazu zunächst an und holen dann den Ansprechpartner in eine Konferenz. Allein, dass jemand von einem Duo kontaktiert wird, macht das Gespräch schon irgendwie besonders und hinterlässt eine stärkere Erinnerung, als wenn mur mal wieder so ein dämlicher Fotograf angerufen hat….

Teampower

Wie auch immer die Zusammenarbeit konkret aussieht: es ist eine Tatsache, dass gut funktionierende Teams mehr erreichen können als Einzelspieler. Und zwar nicht einfach nur doppelt so viel – die gemeinsame Bilanz potenziert sich eher. Gemeinsam sind Herausforderungen viel leichter zu meistern, können Ziele schneller erreicht und höher skaliert werden. Geteilte Freude ist mindestens doppelte Freude! Und ein geteiltes Honorar kann auch ein doppeltes Honorar werden – zum Beispiel, weil man insgesamt mehr erreichen oder wesentlich größere Projekte stemmen kann. Alles mit sich selbst auszumachen, erfordert viel Kraft und mehr Anstrengung, als eigentlich erforderlich wäre. Im gemeinsamen Handeln – auf welchem Level und mit welchen Entwicklungsmöglichkeiten auch immer – liegt extrem viel Potenzial. Ich kann es nur empfehlen.

Ich wünsche ganz viel Erfolg in Deiner Arbeit und in Deiner Fotografie.

Christian

P.S.: Zu diesem spannenden Thema habe ich auch meine Business-Kolumne in der aktuellen fotoPRO verfasst (Frühling 2017), die jetzt am Kiosk zu haben ist.

6 Kommentare
  1. Aliki Monika Panousi
    Aliki Monika Panousi sagte:

    Ich habe dieses Team sehr gut kennenlernen dürfen, da ich einen Teil meiner Ausbildung bei Ihnen realisieren durfte. Seit 2013 bin ich nun auch als freiberufliche Fotografin tätig, jedoch fällt es wirklich schwer, diese Konstellation, wie bei Ahrens + Steinbach Projekte, ansatzweise wiederzufinden oder so etwas in dieser Richtung aufzubauen. Ich habe mehrere Versuche der Zusammenarbeit gestartet, um mich in diese Richtung auch zu bewegen. Leider ist es immer wieder an Missverständnissen, anderen Ansichten, Angst davor einen Kunden zu verlieren oder dem Kunden nicht in dieser Konstellation gerecht zu werden, gescheitert. Ich gebe jedoch nicht auf, denn dass was ich bei Ahrens + Steinbach Projekte kennenlernen durfte, ist eine unglaubliche gute und sehr positive Zusammenarbeit in allen Hinsichten! Ein wirklich perfektes Team!!! Danke für die gemeinsame Zeit und die vielen Einblicke die Ihr mir ermöglicht habt!!! Weiter so!
    VG Aliki Monika

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