X-Pro2-Projekt (18): Philosophisches und Psychologisches

Heute möchte ich über einige Gedanken berichten, die sich aus meiner Arbeit mit der Fujifilm X-Pro2 ergeben haben und die eher philosophischer Natur sind. Nichtsdestotrotz haben sie meines Erachtens ganz konkrete Auswirkungen auf das Fotografieren und auch auf die Bildergebnisse und haben daher auch eine hohe praktische Relevanz.

Der freundliche Fotograf

Die Bauform der Sucherkamera mit dem Sucher in der linken Ecke der Kamera wird heute meist als „Retro“-Eigenschaft hervorgehoben, eine Reminiszenz an die Sucherkameras der analogen Ära, eine Erinnerung an Leica, Zeiss und wie sie alle hießen. Wer das noch erlebt hat und vielleicht schöne Erinnerungen daran hat, freut sich auch bei der X-Pro2 (und bei XE-2 usw.) daran. Ein nostalgisches Gefühl.

Ist es nur das? Ich finde nicht. Denn die Sucherkamera hat wirkliche Vorteile. Zum Beispiel den, dass sie den Kopf des Fotografen beim Fotografieren nur ganz wenig verdecken: Das eine Auge verschwindet zwar hinter der Kamera, der Fotograf bleibt aber als Mensch und als Persönlichkeit weiterhin wahrnehmbar. Er kann sogar – wenn er das linke Auge öffnet – seine Subjekte vor der Kamera während des Fotografierens anschauen, mit ihnen kommunizieren, Kontakt halten, lächeln und beruhigende Botschaften aussenden. Fotografen der Sucherkamera-Ära haben immer wieder über dieses Phänomen berichtet und es positiv hervorgehoben. Im Falle eines kommunikationsstarken Fotografen entsteht also eine viel bessere Beziehung zwischen Fotografiertem und Fotografierendem – im Idealfall ist dort hinter – oder besser – an der Kamera ein freundlicher Fotograf zu sehen und kein bedrohlicher. Bei einer Spiegelreflex – vor allem bei den großen Boliden – sieht das gänzlich anders aus, der Fotograf wird fast vollständig verdeckt und das auf den Fotografierten gerichtete Objektiv erscheint wie eine schußbereite Waffe. Um diesen Eindruck zu mildern, bleibt dem Spiegelreflex-Fotografen nur seine Stimme – der Sucherkamera-Fotograf kann noch mindestens ein halbes Gesicht zusätzlich aufbieten. Ich glaube, dass dies ein unbestreitbarer Vorteil ist, der sich in Verbindung mit der kleineren Bauform der Kamera positiv auf die Atmosphäre beim Shooting und damit auch auf die Bildergebnisse niederschlägt.

Der souveräne Fotograf

Die zweite Beobachtung hat meine Kollegin gemacht, mir selbst ist das Phänomen gar nicht aufgefallen. Es ist nur eine Kleinigkeit, aber ich finde: eine  bemerkenswerte.

Seitdem die Fotografie digital geworden ist, ist folgender Handlungsablauf beim Fotografieren selbstverständlich geworden: Der Fotograf macht ein Probebild und schaut sich das Ergebnis anschließend auf dem Display seiner Kamera zwecks Überprüfung an. Vielleicht verändert er noch etwas am Aufbau, Ausschnitt oder am Licht – dann wieder der gleiche Vorgang: Auslösen, prüfender Blick auf das Display. Und so weiter. Irgendwann werden dann die „richtigen“ Bilder geschossen. Alle machen das so. Profis und Amateure. Anfänger und Fortgeschrittene. Es ist ein Ritual unserer fotografischen Gegenwart.

Die digitale Sucherkamera hat einen elektronischen Sucher, den man so einstellen kann, dass das gerade belichtete Foto auch dort kurz erscheint. So habe ich meinen Sucher derzeit auch eingerichtet – ich nutze momentan die kurze Bildvorschau von 0,5 Sekunden Dauer. Der Blick auf das Display entfällt meistens, denn ich habe die Wirkung meines gerade geschossenen Fotos ja bereits kurz beurteilen können. So mache ich also eine Probebelichtung, verändere noch ein Detail, setze vielleicht ein Licht anders oder arbeite an meinem Standpunkt oder an meinem Ausschnitt. Irgendwann sage ich: „Das sieht gut aus“ – ohne den sattsam prüfenden Blick auf das Display zu benötigen. Nach außen erscheint der Vorgang so, als wenn ich es einfach so wüsste, ob das Bild nun ausgestaltet ist oder nicht. Das fiel meiner Kollegin als ungewöhnlich und als cool auf. Und, ja, das ist es ja auch! 🙂

Der zukunftssichere Fotograf

Noch eine Betrachtung zur Gattungsphilosophie. In der Fotografie gab es immer wieder Paradigmenwechsel, die auf technische Neuerungen zurückzuführen waren: der Wechsel vom Großbild auf Mittelformat und später auf Kleinbild. Die Erfindung des Negativs, die eine Vergrößerung notwendig machte und die Möglichkeit von Bildausschnitten eröffnete. Der Wechsel von der zweiäugigen Kamera hin zur Sucherkamera und später zur Spiegelreflex. Manuelles Fokussieren und der Autofokus. Die digitale Revolution… Und so weiter und so fort. Diese technischen Veränderungen haben immer auch erhebliche Auswirkungen auf die inhaltlichen und gestalterischen Aspekte der Fotografie gehabt und die Ästhetik der Bilder mitbestimmt.

Bei den spiegellosen Systemkameras à la Fujifilm X-Pro2 findet gerade etwas statt, das ich die Zusammenführung von zwei großen Linien der fotografischen Apparate nennen möchte. Gehen wir kurz in die Geschichte: bis Ende der 60er Jahre waren Sucherkameras zum Beispiel in der journalistischen Fotografie weit verbreitet: sie waren unauffällig, klein, schnell und boten eine Qualität, die gut genug für eine Zeitschriften-Doppelseite war. Die Leica war damals der Inbegriff für das professionelle Werkzeug des fotografischen Berichterstatters. Dann kamen vehement die Spiegelreflexkameras auf und verdrängten die Messsucherkameras. Sie boten eine überlegene Methode, das voraussichtliche Bildergebnis anzuzeigen und sie zeigten deutliche Vorteile bei langen Brennweiten, bei denen die Messsucherkameras schnell an ihre Grenzen stießen. Der Siegeszug der Spiegelreflex war umfassend, die Sucherkameras wurden trotz ihrer unbestreitbar positiven Eigenschaften Nischenprodukte. Im Laufe der Jahrzehnte wurden die Spiegelreflexkameras immer größer und wuchtiger, eine aktuelle Canon 1Dx oder eine Nikon D5 ist ein ziemlich monströses Gerät.

Und jetzt erscheinen auf einmal die digitalen spiegellosen Kameras im Sucherkamera-Design auf dem Markt! Sie bieten den „menschlichen“ Faktor und die Unauffälligkeit ihrer kleinen Bauform. Sie bieten aber auch eine kompromisslose Bildqualität, hohe Geschwindigkeit und die Fähigkeit, das Bildergebnis schon anzuzeigen noch bevor das Foto überhaupt gemacht ist – ist ein unbestreitbarer Vorteil, der die Qualitäten des Spiegelreflex-Suchers in vielen Punkten überbietet.

Was manche lediglich als „Retro“ empfinden, ist in Wirklichkeit ausgesprochen progressiv und voller neuer Verheißungen. In der spiegellosen Systemkamera werden Konzepte und verschiedene Vorteile miteinander verschmolzen, die lange Zeit nicht vereinbar waren. Dies ist einer der Gründe, warum ich glaube, dass hier die Zukunft der Fotografie liegt.

 


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4 Kommentare
  1. Thomas Hümmler
    Thomas Hümmler sagte:

    Ja, das sehe ich auch so. Ich habe nach X100S und X-Pro1 immer noch – allerdings weniger – mit meiner Canon 1DIII gearbeitet. Seit der X-Pro2 (2 Speicherkarten, deutlich besserer Autofokus) und den exzellenten Fujinon-Linsen arbeite ich nur noch damit und habe mein Canon-Equipment verkauft.

    Antworten
  2. Thomas Hümmler
    Thomas Hümmler sagte:

    Ja, das sehe ich auch so. Ich habe nach X100S und X-Pro1 immer noch – allerdings weniger – mit meiner Canon 1DIII gearbeitet. Seit der X-Pro2 (2 Speicherkarten, deutlich besserer Autofokus) und den exzellenten Fujinon-Linsen arbeite ich nur noch damit und habe mein Canon-Equipment verkauft.

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